Dienstag, 9. August 2011

Augustmärchen - Familienbande



Familienbande

Sonnenstrahlen drangen durch dichtes Laub und tauchten die Umgebung in goldfarbenes Licht. An manchen Sträuchern luden reife Früchte zum Naschen ein. Gelbe Wasserlilien umsäumten Flüsse.
Es war August.
Kaum ein anderer Monat ging so verschwenderisch um mit der Fülle von Farben und Gerüchen.
Am warmen Nachthimmel ging der Stern Sirius im Zeichen des Hundes auf. Im Volksmund hatte sich der Ausdruck Hundstage durchgesetzt, doch kaum jemand wusste, warum diese Jahreszeit so genannt wurde. Menschen genossen unbekümmert die heißen Tage des Sommers und weil Schulkinder Ferien bekamen, gönnten sich viele Familien ihren Jahresurlaub.

Mit sich und der Welt zufrieden lag der August in seinem Wolkenbett, als ein Unheil bringender Dämon sich ihm näherte.
Begleitet von heftigen Schauern, zog er über das Land. Nach solchen Regenfällen schwollen sogar heimische Rinnsale zu reißenden Flüssen an. Wütend verschluckten sie Wiesen und Gärten. Hilflos sahen Menschen zu, wie ihre Grundstücke im Wasser versanken.

Entrüstet schrie der Monat den Unhold an: „Hör endlich auf und lass mein Land in Ruhe!“
„Wer will mich an meinem zerstörerischen Werk hindern?“, grinste der Wetterdämon unverschämt. „Du etwa, der dumme August?“, er lachte so laut, dass die Luft vibrierte. Damit wollte er seinen Widersacher einschüchtern, doch es gelang ihm nicht.
„Mach deine Spielchen wo anders. So lange ich für das Wetter verantwortlich bin lasse ich es zu, dass du mir dazwischen funkst! Mir stehen selbst Blitz und Donner zur Verfügung. Beides werde ich einsetzen, wenn ich es für angemessen halte. Verschwinde, dich braucht hier niemand.“
Solche Worte waren dem Wetterdämon noch nie entgegen geschleudert worden. Er wusste auch nicht wie er damit umgehen sollte. Vielleicht war es doch besser sich in Richtung Süden zurück zu ziehen. Dort wurde er wenigstens gefürchtet, oder zumindest respektiert.
„Beruhig dich wieder, wir werden uns doch irgendwie einigen können.“, versuchte er sein Gesicht zu wahren.
„Sag mir einen Grund, warum ich das tun sollte. Wir brauchen keine Katastrophen. Auch ohne die gibt es für uns genug zu tun.“
„Wir? Von wem redest du?“
„Von meinen Brüdern und mich.“
„Kenne ich die?“
„Glaub schon.“
Und dann fing der August an aufzuzählen.
Wie gerufen gesellten sich Juli und September zu ihnen, als sie ihre Namen hörten. Ohne zu fragen blies der Juli dem Regenteufel warme Temperaturen ins Gesicht, die von starken Winden des Septembers verstärkt wurden. Der böse Geist hatte das Gefühl auszutrocknen. Wenn er weiterhin existieren wollte, musste er jetzt aufgeben.
„Das ist nicht fair, ihr seid zu dritt und ich bin ganz alleine!“, jammerte er herum.
„Hat hier jemand etwas von fair gefaselt? Weiß der Kerl eigentlich was das ist?“, rief Juli dem weichenden Dämon hinterher.

Die Brüder standen noch eine Weile beisammen um sich über den errungenen Sieg zu freuen.
„Dieser Typ weiß wirklich nicht, was faire bedeutet. Aber da gibt es noch etwas das er nicht kennt. Eigentlich ist er zu bedauern.“, meinte der August.
„Was? Ich habe mich wohl verhört! Der Wetterdämon vernichtet Ernten, zerstört Häuser und wenn er richtig am wüten ist ertrinken Lebewesen. Aber du bringst es fertig ihn noch zu bedauern. Dir hat er wohl den Verstand aufgeweicht!“, empörte sich der September.
„Denk doch Mal nach.“, verteidigte sich der August.
„Wir sind eine Familie. Auf euch kann ich mich immer verlassen, wenn ich Hilfe brauche. Aber er hat niemand, der ihm beisteht.“
Dankbar umarmte er seine Brüder. „Ich bin so froh, dass es euch gibt.“
Verlegen meinten die angesprochenen:
„Jetzt werde nicht sentimental. Das kannst du alles in der Jahresversammlung zur Sprache bringen. Es wird unsere Wintermonate bestimmt auch interessieren. Können wir dich jetzt alleine lassen?“
„Klar doch. Die Gefahr ist gebannt und wenn ich angenehm warme Temperaturen mit leichten Winden einsetze, dann ist noch genügend Zeit um den angerichteten Schaden zu beheben. Die Sterblichen werden mir helfen. Schaut Mal hinunter auf die Erde. Sie sind schon kräftig am Aufräumen.“, freute er sich.

Die Menschen hatten viel zu tun und waren sehr fleißig. Wohlwollend sah der August ihrem Wiederaufbau zu. Um sie zu unterstützen schenkte er ihnen sein bestes Wetter.

Bauernregeln, die nach langjähriger Erfahrung entstanden, schrien ihn vorwurfsvoll an:
„Augustregen wirkt wie Gift, wenn er die reifenden Trauben trifft.“
Soweit wird er es nicht kommen lassen. Alle Reben streichelte er sanft trocken und redete ihnen gut zu, damit sie sich bei ihm wieder wohl fühlen konnten.
Kurz danach verhöhnte ihn die Regel:
„Trübe Aussicht an den Hundstagen, trübe Aussicht das restliche Jahr.“
Wenn er bei Mutter Natur ein gutes Wort einlegte, dann konnte er auch das verhindern. Pflanzen Menschen und Tiere hatten schon genug gelitten, er wollte ihnen weiteren Kummer ersparen.
Sie wusste dass es nicht seine Schuld war von einem Dämon heimgesucht worden zu sein. Er gab sich doch so viel Mühe die geschlagenen Wunden heilen zu lassen. Vertrauensvoll rechnete er mit ihrer Kraft, die zu einem guten Ende führen würde.

Einige Zeit später konnte man kaum noch erkennen, dass es eine Katastrophe gab.
Mutter Natur hatte ihn nicht enttäuscht. Es glich einem Wunder, wie schnell sich die Pflanzen erholten. Trockene Wiesen ließen neue Ernten zu, so dass die Bauern ihre Scheunen füllen konnten. Unter der Sonne gelangten Früchte zur letzen Reife und in Gärten gedieh allerlei Gemüse. Prächtig blühende Blumen trugen dieses Jahr besonders viel Nektar, den fleißige Bienchen einsammelten.

„Stellt im August sich Regen ein, so regnet's Honig und guten Wein.“, hielt der Monat den
garstigen Bauernregeln entgegen.
Noch einmal wird er auf ihr Geschwätz nicht hereinfallen, denn sie widersprachen sich ja selber.

Froh, seinem Bruder ein wohlgeordnetes und gut gefülltes Haus übergeben zu können, lag er entspannt auf einer Wiese. Aufmerksam beobachtete er weiße Wolken am Himmel vorbeiziehen. Sie waren Boten des Friedens.

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