Samstag, 15. Oktober 2011

Oktobermärchen - Magie des Gesangs


Magie des Gesangs

Einst lebte im Schloss, am Rande des Elfenwaldes, die liebliche Prinzessin Serafina. Ihre Mutter, die Königin, war spurlos verschwunden als sie noch in der Wiege lag. Niemand ahnte wo sie sich aufhalten könne und auf weitere Fragen erntete sie nur betretenes Schweigen.
Inzwischen war die Prinzessin zu einer jungen Frau herangewachsen, deren hellblaue Augen wie Saphire funkelten. Ihr schlanker, geschmeidiger Körper, die freundlichen Augen und das herrlich wallende blonde Haar, besonders aber ihr liebliches Wesen lenkten von der Tatsache ab, dass ihr Antlitz von einer riesigen Hakennase verunstaltet wurde.

Ihr Vater, der König, liebte sie von Herzen und tat alles, was in seiner Macht stand, um sie glücklich zu machen. Aber jedes Mal, wenn Serafina nach ihrer Mutter fragt, brach so heftiges Schluchzen aus ihm hervor, dass er nicht mehr reden konnte. Sie wollte ihm kein Herzleid zufügen, deshalb sprach sie ihn nicht mehr daraufhin an. Doch manchmal, wenn sie alleine in ihrem Kämmerlein weilte, verspürte sie eine grenzenlose Sehnsucht nach ihrer Mutter.
Im ganzen Schloss gab es kein Bild, keine Roben, oder andere Hinweise auf eine Königin. Das machte Serafina sehr traurig. Zu gerne hätte sie die Kleider ihrer Mutter anprobiert und deren Duft eingeatmet. Allein, um ihre Nähe zu spüren.

Eines Tages, ihr Vater beriet sich gerade mit seinen Ministern, ging Serafina aus dem Schloss und lief tief in den Wald hinein. Der Legende nach sollen Elfen um den dort gelegenen See herumtanzen, doch keiner hatte sie je gesehen.
Serafina stand an seinem Ufer. Sanft streichelte aufkommender Wind ihre Wangen. Von der zauberhaften Umgebung gefangen, hob die Prinzessin an, ein verträumtes Lied zu singen.
Ihre Stimme war so schön, dass sogar die Vögel des Waldes verstummten, um ihr zuzuhören.
Leichter Nebel stieg vom Wasser empor, der zarte Schemen enthielt, die über der Wasserfläche zu tanzen schienen
Staunend beobachtete Serafina den luftigen Reigen und erkannte jene Elfen, an deren Existenz niemand glauben wollte.
Mit ausgebreiteten Flügeln schwebte eine Elfe zu ihr und sprach:
„Gibt es jemand in Deiner Familie, der Dir ähnlich sieht und dessen Lieder die Seelen der Menschen genauso berühren können?“
„Ja“, rief Serafina erfreut. „Das kann nur meine Mutter sein. Ihr Gesang klingt immer noch in meinem Herzen, obwohl sie mich verlassen hat. Wie sehr sie mir fehlt, kann niemand ermessen.“
„Wir haben eine Königin bei uns aufgenommen, deren Ebenbild Du bist.“
„Kann ich sie sehen?“, fragte Serafina hoffnungsvoll.
„Warte hier, gleich wird sie zu Dir kommen.“
Aufgeregt lief Serafina am Ufer hin und her. Ihr ganzes Leben lang hatte sie auf diesen Augenblick gewartet, doch nun fürchtete sie sich davor.

„Serafina, geliebtes Kind, lass dich umarmen!“, rief eine Dame, die, wie aus dem Nichts heraus, erschienen war. Ihre Gesichtszüge wurden von einer riesigen Nase überschattet.
Serafina eilte auf sie zu und sank, weinend vor Glück, in ihre Arme. Ihnen zuzusehen war so überwältigend, dass die feinfühligen Elfen Freudentänze aufführten.
Serafina hob den Kopf und schaute ihre Mutter vorwurfsvoll an.
Dann stellte sie eine Frage, die so lange auf ihrer Seele lastete:
„Mutter, warum hast du uns verlassen? Vater grämt sich so sehr, dass er alle Andenken an dich aus dem Schloss entfernen ließ. Selten habe ich ihn lachen sehen. Nur, wenn er mit mir zusammen ist, zieht etwas Freude in sein Herz ein. Du hast es entzweigebrochen.“

„Ach mein Kind, du ahnst gar nicht, wie gerne ich ihm liebende Ehefrau und treusorgende Mutter gewesen wäre. Allein, es durfte nicht sein.“
Aufkommende Tränen erstickten ihre Stimme. Nachdem sie sich einigermaßen gefasst hatte, sprach sie weiter:
„Auf mir und meinen Nachkommen liegt ein Fluch.
Alles begann während unserer Hochzeit. Wir hatten ein großes Fest vorbereitet, mit viel Musik und Gesang. Unsere Gäste erschienen in prachtvollen Gewändern, Gold und Silbern erstrahlte der ganze Saal. Selbst die Natur trug ein Festtagskleid, denn an diesem Oktobertag leuchteten die Blätter der Bäume in bunten Farben, die das Herz jeden Menschen mit staunender Freude erfüllte. Auf dem feierlichen Höhepunkt trat plötzlich ein schwarz gekleideter Herr an die Seite meines Mannes, dessen missratenen Gestalt Mitleid hervorrief. Er verbeugte sich elegant und fragte, warum nicht auch er zur Hochzeit geladen worden sei. Mir wurde angst und bange, denn sein faltiges Gesicht verzog sich zu einem unheilvollen Grinsen.
Ich konnte gerade noch hören, wie er zur Strafe mein Antlitz mit einem Nasenbein zieren wolle, das alle Schönheit von mir abfallen ließe. Danach verließ er hoch erhobenen Hauptes, das Schloss.
Alle Gäste waren von diesem Vorfall so schockiert, dass niemand es wagte, ihn aufzuhalten. Verwundert fragte ich meinen Mann wer es wagen könne, so ungebührlich mit seinem Herrn zu sprechen, doch der wich entsetzt vor mir zurück. Auch unsere Gäste schrien auf, als ich mich ihnen zuwandte. Nie zuvor war ich diesem Mann begegnet, und doch hatte sich sein Fluch an mir erfüllt.
Es sollte der schönste Tag meines Lebens werden, doch er endete mit Heulen und Wehklagen.

Zu den dringlichsten Aufgaben eines Herrschers gehört, für männliche Erben zu sorgen. Widerwillig teilte der König sein Lager mit mir. Er erfüllte seine Pflicht, aber ich empfand es als so demütigend, dass ich meinem ärgsten Feind nichts Vergleichbares wünsche.
Als ich endlich ein Kind unterm Herzen trug, verließ ich meine Gemächer nicht mehr. Oft saß ich stundenlang am geöffneten Fenster und sang meinen Schmerz in die Welt hinaus. Pfauen aus dem königlichen Garten gesellten sich zu mir und schlugen ihr Rad, um mich zu trösten. Sie waren meine einzigen Freunde im Schloss.
Wenn die Dienerschaft meinen Gesang vernahm, berührte ich auch deren Herz.
Sie murrten wegen des großen Unrechts, unter dem ich zu leiden hatte. Ihrer Meinung nach müsse das Gesicht des Königs entstellt sein, damit jeder sieht, wie hässlich er seine Frau behandelt. Den Fluch habe nicht ihre Herrin heraufbeschworen, sondern er! Darin waren sich alle einig.
Du wurdest geboren und weil du ein Mädchen bist, starb alle Hoffnung auf den erwarteten Nachfolger. Noch mehr Missachtungen konnte ich einfach nicht ertragen, deshalb ergriff ich die Flucht.“

„Weißt du, wer dieser Unhold war und warum er dir das angetan hat?“, fragte Serafina entsetzt.
„Die Feen haben mir mitgeteilt, dass es sich um den einst geachteten Magier Orthwin handelte. Sie erzählten mir auch, wie es zu der Feindschaft zwischen ihm und dem König kam.
Früher lebte der Zauberer in Eintracht mit des Königs Eltern im Schloss und gehörte zum engsten Freundeskreis am Hofe. Solange er königlicher Berater war, erblühte das Land in Wohlstand und Frieden. Das zog Neider an. Sie scharten sich um den jungen Prinzen und redeten ihm ein, dass es unter seiner Würde sei, sich den verbogenen Rücken des Beraters ansehen zu müssen. Solch Anblick sei eine Beleidigung seiner königlichen Herkunft.
Schlechter Rat fällt leider allzu oft auf fruchtbaren Boden.
Kaum wurde mein Mann gekrönt, verbannte er den armen Orthwin aus dem Schloss.
Nun hat er sich in eine feuchte Meereshöhle zurückgezogen, wo ihm giftige Schlangen und allerlei widerliches Getier, das vom Ozean angeschwemmt wird, Gesellschaft leistet. Seine Welt ist dunkel. Kein Sonnenstrahl durchdringt die schlammige Behausung. Er ist immer alleine. Wer ihm begegnet, erzittert vor Angst und Schrecken.“
„Kann er sich denn nicht von diesem üblen Ort befreien?“
„Schon, aber von der erlebten Ungerechtigkeit verbittert, fühlt er sich nur unter diesen Kreaturen wohl. Die ganze Umgebung ist ein Spiegelbild seiner verletzten Seele.
„Ich werde zu ihm gehen.“, beschloss Serafina.
„Nein! Bitte tu das nicht, er wird dich töten!“, schrie ihre Mutter voller Furcht.
„Du sagst doch selbst, dass er immer alleine ist. Nach all dem, was du über ihn erzählt hast, kann ich mir nicht vorstellen, dass er mir ein Leid antun wird. Vielleicht kann ich seine Trübsal ein wenig lindern.
Doch, wenn ich es recht bedenke, zum Besuch bringt man ein Geschenk mit. Was würde ihm, deiner Meinung nach, Freude bereiten?“
Angestrengt dachten beide nach.
„Mir ist eingefallen, was du ihm schenken könntest!“, sagte die Königin nach einer Weile.
„Ich habe dir doch von den Pfauen erzählt, die mich in meiner Einsamkeit getröstet hatten. Als ich das Schloss endgültig verließ, schenkten mir diese Vögel ihre schönsten Federn, damit mir der Abschied von ihnen nicht so schwer fällt. Von solch kostbarem Gut trenne ich mich nur ungern. Eine Feder will ich dir mitgeben und hoffe, dass sie Orthwin besänftigen kann.“

Der Weg zu den Klippen war weit und beschwerlich. Müde sank die Prinzessin zu Boden, als sie ihr Ziel erreicht hatte. Hungrig und geschwächt stimmte sie ein wehmütiges Lied an, das von Anmut handelte, die unbedacht zerstört wurde.
Kaum endete ihre Weise, legte ein schwarz gekleideter Herr seine Hand auf ihre Schulter.
Serafina erschrak und sah gütige Augen, die auf sie nieder blickten.
„Ihr müsst erschöpft sein. Darf ich Euch für diese Nacht eine Bleibe anbieten?“
„Verzeiht, aber ich suche einen großen Zauberer, der hier wohnen soll.“
„Den könnt Ihr immer noch aufsuchen, wenn Ihr frisch gestärkt und ausgeruht seid.“
Das Angebot klang so verlockend, dass die Prinzessin nicht vermochte, es abzulehnen. Sie folgte dem Unbekannten in eine unscheinbare Hütte, die sie zuvor nicht wahrgenommen hatte. Drinnen war es blitzsauber und gemütlich eingerichtet. Nachdem sie Speis und Trank genossen hatte ließ sie sich zu einem Lager geleiten, das mit weißen Linnen bezogen war. Augenblicklich legte sie sich hinein und schlief friedlich ein.
Als sie von Kreischen der Möwen erwachte, stand ein reich gedeckter Tisch in der Mitte des Raumes. Auf einem der Stühle sitzend, wartete der Gastgeber auf ihr Erwachen. Erst jetzt erkannte Serafina seinen krummen Rücken, der ihn zur Missgestalt werden ließ.
„Ihr könnt niemand anders sein, als der Zauberer den ich gesucht habe.“, sagte sie schüchtern. „Warum habt Ihr Euch nicht gleich zu erkennen gegeben?“
„Weil es mir Freude machte Euch zu bewirten. Kommt, setzt Euch zu mir und lasst es Euch munden. Ich habe gleich erkannt, dass Ihr die Tochter der unglücklichen Königin seid. Sagt, was ist Euer begehr?
Verschämt senkte Serafina ihr Haupt
„Meine Mutter wurde von Euch verflucht. Sie fügte niemand ein Leid zu und auch mich trifft Euer Zauber. Habt Erbarmen mit uns, Ihr straft Unschuldige.“

Die offenen Worte der Prinzessin beeindruckten Orthwin sehr. Erst jetzt verstand er, was sein Fluch angerichtet hatte.
Den König wollte er treffen, stattdessen zerstörte er das Leben seiner Gemahlin und ihrer Tochter.
Zögernd ergriff er die Pfauenfeder. Ihre Schönheit erhellte seine Gesichtszüge.
„Ihr seid ein guter Mensch, Prinzessin", hob er an, „liebend gern würde ich Euch helfen, denn ich sehe wohl, Unrecht getan zu haben.
Leider steht es nicht in meiner Macht das Gesetz der Magie zu ändern. Es besagt, dass ein einmal ausgesprochener Fluch, nicht von seinem Urheber zurückgenommen werden kann.
Dennoch will ich Euch raten. Hört, die Befreiung liegt in Eurer eigenen Hand.

„Sagt schnell, was muss ich tun?“, rief Serafina aufgeregt
„Findet einen gesellschaftlich ebenbürtigen Mann, der Euch trotz der mächtigen Nase heiraten will. Das würde den Zauber umkehren. Euer Vater wählte Eure Mutter wegen ihrer vollkommenen Schönheit zur Königin. Weil er mir mein Ansehen nahm, sann ich auf Rache. Sobald Ihr einen hochrangigen Adeligen ehelicht, obwohl Euer Gesicht entstellt ist, heben sich die Kräfte wieder auf und Ihr könnt erstmals Euer wahres Antlitz erblicken.“
Orthwin reichte ihr einen wundersamen Kristallspiegel, dessen Kanten mit geschliffenen Symbolen verziert waren.
„Wenn immer Ihr hineinschaut, wird er wird Euch den richtigen Weg weisen. Mehr vermag ich nicht für Euch zu tun.“, sagte der Zauberer betrübt.

Serafina fühlte sich in ihrem Entschluss bestärkt, das Unheil zu wenden. Freudig singend, wollte sie nach einem geeigneten Partner suchen.
Guten Mutes erreichte die Prinzessin den See im Feenwald.
Die Mutter freute sich sehr, ihre Tochter wohlbehalten vorzufinden. Aber ihre Miene verfinsterte sich sogleich, als sie das einzige Mittel vernahm, welches den Fluch brechen könne.
„Kind, du bist doch noch so jung und hast keine Erfahrung mit Männern. Lass uns bei den Feen bleiben und der restlichen Welt endgültig den Rücken kehren.“, bat sie inbrünstig, doch Serafina protestierte.
„Es ist wohl wahr, ich bin fast noch ein Kind. Kannst du dir vorstellen, was es für mich bedeutet, immer hier verborgen zu leben? Es würde mich vor Kummer verzehren. Ich will Freude haben, singen und tanzen, wie du einst getan. Du wirst mich nicht davon abhalten können!“
Wütend verließ sie den Feenwald.

Die Prinzessin wanderte von Ort zu Ort.
Mitunter erntete sie mitleidige Blicke und die Leute tuschelten hinter ihrem Rücken, wenn sie ihrer gewahr wurden. Sobald das Mädchen aber seine Stimme erhob, gewann es schnell die Herzen seiner Zuhörer. Wie Balsam legten sich ihre Lieder auf verwundete Seelen. Kranke, fanden neuen Lebensmut und Verlassene, wurden getröstet.
Bei der Bevölkerung war es wohl gelitten. Der Ruf einer Heilerin, die Sorgen und Nöte vergessen lässt, eilte ihr voraus.

Den vernahm auch Burggraf von Königswinter. Er litt schrecklich an unerträglicher Schwermut. Die besten Ärzte und Heilkundigen des Landes hatten sich bereits an einer Linderung versucht. Gaukler und Possenspieler tummelten sich zuhauf am Hofe, immer bemüht, ihren Herrn zu erheitern. - Aber alles war bisher erfolglos geblieben.
Als der Burggraf vernahm, dass Serafinas Gesang Herzen heil machen konnte, schöpfte er neue Hoffnung.
Ungeduldig sandte er einen Herold aus, um die Sängerin auf seine Burg zu laden.
Als die Prinzessin davon erfuhr, warf sie erst einen Blick in den Spiegel. Die Symbole funkelten verheißungsvoll, sie würde den rechten Weg nicht verlassen. Bereitwillig nahm sie die Einladung an und betrat ehrfurchtsvoll das prächtige Gemäuer.
Der Graf ging ihr entgegen. Obwohl er schon vorgewarnt worden war, erschrak er dennoch über die riesige Nase, die aus dem Gesicht seines Gastes ragte.
Er fasste sich mit Mühe und sah sich das Mädchen genauer an. Seine Kleidung war staubig und abgetragen, aber ihr Benehmen tadellos und von wohltuender Vornehmheit. Um ihre Herkunft rankten sich Gerüchte. Jedoch hatte niemand in ihr die schmerzlich vermisste Prinzessin vom Elfenwald vermutet.

Als ob die Sonne mit ihren Strahlen dunkle Regenwolken beiseite schöbe, schwand des Burggrafens Bedrückung. Voller Freude bat er Serafina eine Zeit lang bei ihm zu bleiben und ihm Gesellschafterin zu sein. Er wolle sie auch reichlich entlohnen.
„Eines Lohnes bedarf ich nicht, guter Herr", entgegnete das Mädchen, „Ich will gern bleiben und die düsteren Wolken von Eurer Seele vertreiben, trage ich doch selbst eines schweren Schicksals Bürde."
Von nun an wurde die liebliche Prinzessin zum festen Bestandteil des Burglebens. Wie schon in den Orten, die sie durchreist hatte, legte sich der Widerwille gegen ihr verunstaltetes Angesicht recht schnell und bald hatte sie die Herzen Aller gewonnen.
Die Gesichter strahlten, wo immer sie erschien, und der geheilte Burggraf mochte nicht mehr von ihrer Seite weichen.
Als sie eines Abends gemeinsam auf dem großen Balkon standen, von dem aus man weit in das Land blicken konnte, nahm er Serafinas Hand und fiel vor ihr auf die Knie.
„Mein Augenlicht", begann er stockend, „Ich flehe Euch an, werdet meine Frau. Keine Andere als Euch, will ich zur Gemahlin erwählen.“
„Aber meine Nase“, wandte Serafina ein.
„Ach was! Wer sich daran stören will, der mag das tun. Für mich seid Ihr ein Engel, der herabgestiegen ist, um mich aus finsterem Tal zu erlösen.“
Serafina willigte ein und offenbarte das Geheimnis ihrer Abstammung.
Mit Freuden wollte der Graf beim König offiziell um die Hand seiner einzigen Tochter anhalten. Sofort begann er mit den Reisevorbereitungen.

Im Schloss, am Rande des Elfenwaldes, kündigten Posaunenklänge die Ankunft eines wichtigen Besuches an. Gefolgt vom Hofstaat des Burggrafen, leuchteten die Mauern des Palastes, im längst vergangenen Glanz. Unbändiger Jubel kam auf, als der König seine verloren geglaubte Tochter wieder ans Herz drücken konnte. Er hatte im ganzen Lande nach ihr suchen lassen und sie schon für immer verloren gegeben.
Der Antrag des Grafen wurde wohlwollend aufgenommen, die Hochzeitsvorbereitungen konnten beginnen.

Glücklich über die gute Wendung, eilte die Prinzessin zum See im Wald, um ihre Mutter heimzuholen. Die Königin war menschenscheu geworden. Nur Feen konnten sie überreden bei den Feierlichkeiten ihren rechtmäßigen Platz, an der Seite des Königs, wieder einzunehmen.

Die Vermählung fand in der schönsten Kathedrale des Landes statt. Als das Brautpaar sich vor dem Portal küsste, erblickte der Graf Serafinas makelloses Antlitz. Überwältigt hob er beide Arme und rief dem wartenden Volke zu:
„Lobpreiset und frohlocket! Ein Wunder ist heute geschehen und Ihr könnt es bezeugen. Geht in die Welt hinaus und berichtet, welche Gnade Eurer Herrschaft zuteil wurde.
Tosender Beifall brach aus. Die Jahre der Trübsal waren überstanden. Selbst in der kleinsten Hütte erstrahlte das Licht der Zuversicht auf eine bessere Zukunft.

Auch die Königin war fassungslos vor Freude. Sie konnte sie sich nicht satt sehen an dem Spiegelbild, das sich ihr bot. Der König indessen, fiel vor ihr auf die Knie und bat seine Frau um Vergebung. Er habe nicht Recht gehandelt, sie wegen ihres Aussehens zu missachten.
„Erhebt Euch“, meinte sie peinlich berührt. Erst müsst Ihr meine Bedingungen erfüllen, dann wird sich zeigen, ob ich Euch verzeihen kann.
Zerknirscht erkundigte sich der König, welche Bedingungen sie meine.
„Werft Eure schlechten Berater in den Kerker. – Noch heute! Sie haben das Land ausgeraubt und sich die Taschen gefüllt. Ihr Vermögen soll gerecht unter der Bevölkerung verteilt werden. Zudem wünsche ich, dass Ihr den Magier Orthwin wieder in seine ehemaligen Ämter erhebt. Kleidet ihn in Samt und Seide. Wenn er vermag Euch zu vergeben, dann werde ich es auch tun.“

Von diesem denkwürdigen Tag, zehrten noch Generationen. Der kluge Berater Orthwin verhalf der Bevölkerung zu neuem Wohlstand. Das Ansehen des Königspaares wuchs über alle Maßen und als der ersehnte Thronfolger das Licht der Welt erblickte, feierte das ganze Land seine glücklichen Eltern.

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